Warum Karate?
Claudia Ossola-Haring:
Grüß‘ Sie! Mein Name ist Claudia Ossola-Haring, ich bin Professorin an der SRH Hochschule in Calw. Warum mache ich Karate, die „Kunst der leeren Hand“? Aus vielen Gründen – aber ich versuche(!), mich kurz zu fassen.
Da sind einerseits die rationalen Faktoren. Gerade wir Älteren wissen, wie wichtig Gesundheit ist. Was viele nicht wissen, ist, dass sie selbst die Macht über ihre Gesundheit besitzen. Karate ist ein Ganzkörpersport, den jede*r so ausüben kann, wie er dazu imstande ist. Das Karate-Training ist also Gesundheitsprävention von Jugend an bis ins hohe Alter – und hier rede ich auch von 80+. Gelehrt werden neue Bewegungsabläufe. Gelehrt wird aber auch, dass und wie man auf seinen Körper hört, Fehlhaltungen und Fehlverhalten vorbeugt. Es gibt keinen „Muss-Standard“, es gibt ein lebenslanges Lernen und Verbessern, egal wie spät oder früh man mit Karate angefangen hat.
Da gibt es aber auch die emotionalen Faktoren. Manche setzen Karate mit „Kloppen“ gleich. Das ist natürlich nicht richtig. Aber dennoch ja, Karate ist ein Kampfsport. Das macht uns Älteren manchmal Angst. Aber Karate ist vor allem ein Kampfsport, der den Respekt vor dem Gegner einfordert sowohl in der (Selbst-)Verteidigung als auch im Angriff. Das allgegenwärtige Motto ist „Aufmerksamkeit“. Wer auf „Biegen und Brechen“ zeigen will, dass er der „unbedingt Stärkere“ ist, für den ist das traditionelle Shotokan-Karate weniger geeignet. Wer zeigen will, dass er sich fokussieren kann, seinen (zunächst nicht realen) Gegner beobachten und einschätzen kann, dass er agieren und reagieren kann, für den ist Shotokan-Karate genau richtig. Wir lernen Katas, die über Jahrhunderte hinweg gesammelten Kampferfahrungen in Bewegungsabläufe überführt haben. Und glauben Sie mir: Man ist teilweise sehr froh, „nur“ zwei Arme und Beine zu haben, die man koordinieren muss.
Zusammengefasst: Karate stärkt gerade die im Alter zunehmend wichtigen Faktoren wie Flexibilität, Beweglichkeit, Kraft, Koordination, Schnelligkeit, Ausdauer, mentale/geistige sowie psychische/emotionale und soziale Dimensionen. Kurz gesagt: Karate ist für uns Ältere gesund, erhält gesund und macht Spaß. Man lernt nette neue Leute aus den unterschiedlichsten Bereichen kennen und – last but not least – neben dem Körper kommen die „kleinen Grauen“ so richtig auf Trab!

Claudia Ossola-Haring
Robert Stratmann (war viele Jahre lang Pfarrer in Calw-Heumaden)
Shotokan-Karate haben ich von 2004 bis 2010 betrieben und es bis zum braunen Gürtel (3. Kyu) geschafft. Vor 16 Jahren habe ich im Calwer Karateverein angefangen. Ich hatte im Urlaub entdeckt, dass es höchste Zeit ist, mich wieder regelmäßig körperlich zu betätigen. Und ich erinnerte mich, dass mich Karate schon immer fasziniert hatte. Und so suchte und fand ich in der Nähe Calws einen Verein.
Ich fand in Hans-Jürgen Kaun einen Sensei, der mich zu motivieren und die sportlichen Kapazitäten, die bislang unentdeckt in mir steckten, zutage zu fördern verstand. Als ich nach zwei Jahren durch einen Stellenwechsel in meine Heimatstadt Ulm zurückkehrte, trieb ich meinen Lieblingssport zunächst weiter, ehe ich vor 10 Jahren erst einmal pausierte. Leider hat sich bis heute die Gelegenheit nicht ergeben, wieder einzusteigen. Aus alter Treue und aus Freundschaft mit Hans bin ich bis heute Mitglied im Verein.
Ich bin natürlich oft gefragt worden, wie ich Karate und Christsein eigentlich zusammenkriege.
Wir wissen alle, dass zum Karate – wie auch zu anderen fernöstlichen Kampfsportarten – Rituale gehören: die Verbeugung beim Betreten und Verlassen des Dojo, die kurze Meditation vor und nach dem Training und das Angrüßen und Abgrüßen vor und nach jedem Kampf. Für all das habe ich durchaus Sinn. Doch mit Glauben hat es für mich nichts zu tun. Ein spirituelles Moment birgt das Karate für mich nicht. Die Frömmigkeitsimpulse hole ich mir aus dem christlichen Glauben. Und den halte ich aus dem Karate heraus. Denn ich möchte es auf jeden Fall vermeiden, dass der christliche Glaube zu einer Art Sportideologie verkommt. Einer christlichen Karategruppe (so etwas gibt es) könnte ich mich nie anschließen. So beschränkt sich der Reiz am Karate für mich auf die Eleganz dieses Sports und die wohltuenden körperlichen Effekte. Nach dem Training ging’s mir immer gut.
Robert Stratmann
Robert Stratmann